In
Anbetracht der Tatsache, dass die Fischereischoner aus Gloucester nicht nur in
der Fachwelt weltweit bekannt sind, ist es bemerkenswert, dass die aus den
gleichen Häfen stammenden einmastigen Fischereisloops so gut wie unbekannt sind,
äußerst selten erwähnt werden und in der maritimen Literatur kaum vorkommen.
Der bekannte Marinehistoriker Howard I. Chapelle jedoch widmete diesen kleinen,
aber durchaus hochseefähigen Schiffen ein Kapitel in seinem Buch „AMERICAN
SAILING CRAFT“ von 1936. Hier veröffentlicht er auch 3 Risse zur VESTA mit 52
ft Länge von 1898/99, zur LAURA ENOS mit 50 ft Länge von 1901 und zu einer
namenlosen Sloop von 1902 mit 60 ft Länge. Modellbeschreibungen im Nautical
Research Journal über Modelle von Erik A. R. Ronnberg Jr. und Bilder im Buch
„Wooden Ships and Iron Men“ über das Werk des Marinemalers Thomas Hoyne weckten
zunehmendes Interesse in Wolfgang Kekeisen an diesem selten als Modell gebauten
Schiffstyp. Als sich dann im Laufe des Sommers 2019 herausstellte, dass auch
Jan D. Koch und Henk Buitenhuis Modelle dieses Schiffstyps bauen wollten, waren
die 3 Risse schnell folgendermaßen verteilt: Wolfgang baut die VESTA, Jan die
LAURA ENOS und Henk den 60-Füßer.
Als Einstieg in das neue Projekt und als "Fingerübung", beschäftigt sich Wolfgang erst einmal mit den 12 ft-Dories. Pläne und Unterlagen dazu finden sich ausreichend im Internet. Die auf den ersten Blick recht einfachen Fangboote der Sloop bieten aber während der Bauausführung jede Menge Möglichkeiten zur Detaillierung bzw. bei der späteren Ausstattung mit diversen Gerätschaften.
Der Worte
sind genug gewechselt, Wolfgang lässt Taten folgen: der Serienbau von 7 Dories
steht an. Die 4 Bodenplanken, Vorsteven, Heckknie und Spiegelplanken sind schon
verleimt.
Die
Dories sind im Wesentlichen fertig. Sechs für die VESTA, eines als
eigenständiges Modell.
Bevor der
Bauauftrag endgültig erteilt wird, wird der geplante Maßstab von 1: 16 auf die
Transportfähigkeit überprüft: es reicht knapp, aber mit eingezogener Stenge
sollte es gehen.
Die Pläne
von Howard I. Chapelle aus dessen Buch "AMERICAN SAILING CRAFT" werden
vergrößert und am Computer auf den Strak der Linien überprüft. Alles passt.
Wolfgang hat eine Ladung Styrodur gekauft und mit einer flüssigen Zugabe in Bad Schussenried abgeliefert. Bei Klaus Prystaz werden die Platten mit Hilfe seiner Schneideanlage (heißer Draht) auf eine Stärke geschnitten, die dem Abstand der Wasserlinien entspricht.
Während der Messe Faszination Modellbau in Friedrichshafen wird als praktische Vorführung für die Messebesucher endlich mit dem Bau der Styrodurrümpfe begonnen. Auf der Werkbank wird mit dem Rumpf von Henks Modell, dem noch namenlosen 60-Füßer, gestartet.
Die Bauweise entspricht der altbekannten Schichtbauweise, wie sie früher auch für die Halbmodelle der Werften gebraucht wurde. Allerdings werden bei unserer Bauweise die Schichten auch in der Spantebene geschnitten, so dass alle Risslinien für die korrekte Rumpfform in Anspruch genommen werden können.
Die "Kiellegung" der VESTA muss bis nach der Messe warten. Dann werden aus den Styrodurplatten mithilfe von Spantschablonen einzelne Wasserlinienschichten ausgeschnitten und so verklebt, dass die Spantsegmente sowohl mittig als auch in der Wasserlinie noch getrennt werden können.
Die Bauweise ist sehr zeitsparend, da sich das Material mit der Dekupiersäge sehr gut zuschneiden lässt. Zu zweit wird an nur einem Samstag eine Rumpfhälfte aufgebaut.
Mit einem scharfen (!) Cuttermesser werden nun die überstehenden Stufen vorsichtig beschnitten. Bei dieser Arbeit sollte man sich Zeit lassen und wirklich sehr vorsichtig zu Werke gehen, denn: was weg ist - ist weg!
Auf diese Art können einfach und sicher selbst komplizierte Rumpfformen exakt hergestellt werden. Man bewegt sich dabei immer im klar definierten 3-dimensionalen Raum, und jede Linie auf der Zeichnung lässt sich am Rumpf genau nachvollziehen.
Wenn die einzelnen Spantsegmente beschnitten sind, können sie auf einer ebenen Fläche miteinander verklebt werden. Diese "Rumpfviertel" werden anschließend zu zwei Rumpfhälften verklebt.
Die
Rumpfhälften erhalten nun den letzten Schliff. Dazu wird eine Schleiflatte
erstellt. Ein ca. 2 mm starker Kunststoffstreifen wird an der Unterseite mit
Schleifleinen der Körnung 180 beklebt und erhält oben zwei Halteklötze.
Auf dem verschliffenen Rumpf kann nun bequem die spätere Decksoberkante angezeichnet werden. In einem Abstand darunter, der der späteren Decksstärke entspricht, wird eine V-förmige Nut in den Rumpf eingeschnitten und mit Baumwollflocken oder Microballons angedicktem Epoxidharz ausgespachtelt.
Nicht nur diese Decksauflagefläche, die den späteren Einbau des Decks ungemein erleichtert, sondern auch weitere Bereiche, wie hier am Bug im Bereich des Wasserstagbeschlags, können so verstärkt werden.
Nachdem auch die Rumpfhälften miteinander verklebt sind, erhält der Rumpf seinen Vor- und Achtersteven aus Acrylglas und einen massiven Kiel aus Edelstahl. Der Edelstahlkiel hat mehrere Gewindebohrungen, mit deren Hilfe später ein eventuell notwendiger Zusatzkiel sicher angeschraubt werden kann.
Damit sind alle Vorbereitungen abgeschlossen. Zum Laminieren in Bad Schussenried treffen sich Wolfgang wieder mit Klaus und die VESTA mit ihrer großen "Schwester", dem 60-Füßer. Sie ist zwar in ihrer Entwicklung etwas zurückgeblieben, aber ihre Verwandtschaft ist klar erkennbar.
Laminiert wird mit Epoxidharz HP-55L von HP-Textiles, wobei zwei Lagen 160 g Glasfasergewebe verwendet werden.
Um die Gewindebohrungen im Kiel harzfrei zu halten, werden dort eingefettete Schrauben eingedreht.
Übers Wochenende hat der Rumpf dann Zeit Auszuhärten.
Tempern(?) vor dem Kaminfeuer.
Der laminierte Rumpf ist extrem leicht und der Edelstahlkiel so stabil, dass man das Schiff problemlos daran fixieren kann.
Der Rumpf ist inzwischen verspachtelt und der Absatz in der Beplankung des Schanzkleides (engl. Waist) angeformt.
Das überschüssige Styrodur, das bislang als sichere Bezugsfläche und Fundament gedient hatte, wird oberhalb des Decks entfernt. Hier wird gerade mit einem Streichmaß die Decksoberkante angezeichnet, die als Orientierung beim Anbringen der vielen Speigats (engl. Scupper) dient.
Zu Weihnachten bekam das Schiff seinen Namenszug "VESTA". Die Namenstafel hat Hans Düsel beigesteuert.
Zusätzlich konnte über die Feiertage das Ruderblatt fertig gestellt werden.